Ein Unbekannter zwischen zwei Welten

Schon mal was vom Kunkelspass gehört? Ich bis vor wenigen Tagen jedenfalls nicht. Dabei ist dieser Pass mit Personenwagen und Motorrädern befahrbar. Dies jedoch mit Vorbehalt. Fürs Befahren muss eine Bewilligung bei den Gemeindebehörden von Tamins eingeholt werden. Verkehrsstrategisch ist der Kunkelspass bedeutungslos. Aus diesem Grund bestand nie ein Bedarf eines Ausbaus dieser Passstrasse. Abgesehen von den Ausweichstellen ist sie nur einspurig und oft besteht ihr Belag lediglich aus Schotter. Deshalb ist das Verkehrsaufkommen von Personenwagen und Motorrädern auf der Passstrasse gering. Auch an Wochenenden. Sehr beliebt ist die Strecke dafür bei den Mountain-Bikern. Da der Wanderweg, abgesehen von wenigen Ausnahmen, mehrheitlich auf der Passstrasse verläuft, ist dies kein unbedeutender Umstand. Dennoch, man kommt sehr gut aneinander vorbei. Mich jedenfalls haben die Biker nicht gestört.

Der Kunkelspass trennt die Wanderstrecke quasi auf halben Weg in zwei Welten, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Dies vor allem aus topografischer Sicht. Die Welt auf der Nordseite des Kunkelspass ist das Taminatal. Quasi ein Hochtal. Von der Rheinebene her ist das Tal nicht ersichtlich. Erst beim Dorf Pfäfers, das mehr als 300 Höhenmeter über Bad Ragaz thront und das Eingangstor zum Taminatal bildet, zeigen sich die Dimensionen dieses Tals. Wobei die ersten Eindrücke der Dimensionen nicht der Realität entsprechen. Denn kurz nach dem Dorf Valens verengt sich das Tal dramatisch und lässt neben dem Mapragg-Stausee kaum Platz für die Strasse. Doch genug der Enge – denn nach dem Mapragg-Stausee öffnet sich das Tal wieder und lässt erst jetzt seine wahren Dimensionen erkennen. Vor einem liegt ein schönes, langgezogenes Hochtal, dominiert von Weidewirtschaft und Wäldern und beidseitig liegenden Dreitausendern. Einziger Wermutstropfen ist eine Hochspannungsleitung, die über grosse Teile dem Talboden entlang geführt wird und die Wahrnehmung dieses Tals als uneingeschränktes Naturspektakel doch etwas schmälert. Lange habe ich mir überlegt, ob ich die Landschaft dieser Tour aufgrund dieser Hochspannungsleitung lediglich mit drei Punkten bewerten soll. Da ansonsten nichts gegen die grandiose Landschaft dieses Tals spricht habe ich davon abgesehen.

Auf der Südseite des Kunkelspass sieht die Welt ganz anders aus. Imposante Bergketten sind nun nur noch in der Ferne am Horizont erkennbar. Zu Füssen liegt dafür das Rheintal. Zur linken Hand das Dorf Domat/Ems mit den unübersehbaren Emser-Werken, zur rechten Hand das Dorf Bonaduz und in der Mitte die Siedlung Reichenau, wo sich Vorder- und Hinterrhein zum Rhein vereinen. Ebenfalls erkennbar – und vor allem gut hörbar – ist die Autobahn A13, die hier von Chur kommend ins Hinterrheintal Richtung Thusis abzweigt. Besonders auffallend sind jedoch die bizarren Gesteinserosionen, die sich nun an den Bergflanken auf der Südseite des Kunkelspasses zeigen. Seltsame Formationen, die zweifelsfrei die ersten Boten der Rheinschlucht sind, des Schweizer „Grand Canyon“, die sich kurz nach Bonaduz über eine Länge von 13km zieht und eine Tiefe bis zu 400 Metern erreicht.

Die erste Etappe der Tour startet im beschaulichen Vättis und verläuft auf den ersten drei Kilometern im Talboden mehr oder weniger auf der Passstrasse dem Görbsbach entlang. Danach verlässt der Wanderweg den Talboden und geht für ca. zweieinhalb Kilometer der linken Bergflanke entlang. Anschliessend führt der Weg wieder in die Passstrasse und verlässt diesen bis zum Ziel der Tour in Tamins nicht mehr. Nach einem leichten Aufstieg mit einigen Kehren ist der höchste Punkt der Tour auf dem Kunkelspass mit 1’357m ü. M. erreicht.

Die zweite Etappe setzt sich auf der Passstrasse fort. Nach einem kurzen flachen Stück beginnt der fast zweistündige Abstieg. Der Weg windet sich nun der Felswand entlang und mündet bald in einen längeren Tunnel, der nicht beleuchtet ist. In den Felsen geschlagene Fenster bieten jedoch genügend Tageslicht. Dennoch ist Vorsicht geboten, da der Tunnel nicht nur mit Bikern zu teilen ist, sondern auch mit allfälligen Personenwagen oder Motorrädern. Nach dem Tunnel setzt sich der Abstieg durch einen lichten Wald fort. Der Abstieg ist, da er auf der regulären Passstrasse stattfindet, nicht sehr steil. Infolge mehrerer Kehren zieht er sich jedoch in die Länge. Wer schneller absteigen möchte und einen steileren Abstieg nicht scheut, kann als Alternative von der Passhöhe den Weg durch das Foppaloch wählen. Diese Wegvariante spart ca. 20 Minuten Marschzeit ein. Nach einem kleinen Talkessel mit Weidewiesen ist es nicht mehr weit bis Tamins. Nun heisst es nur noch das Dorf zu durchqueren, da sich die Postautohaltestelle etwas ausserhalb des Dorfes befindet, und zwar in Tamins Unterdorf auf der anderen Seite der Kantonsstrasse.